'Celtic Fields' – Stiefkinder der
Archäologie
Spuren urgeschichtlicher Beackerung in West-,
Mittel- Nord- und Osteuropa:
Sondagen zur Gewinnung datierbaren Materials aus 'Celtic-Fields'-Randwällen
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Fields' finden)
Die folgenden Ausführungen und Empfehlungen
basieren auf persönlichen Erfahrung des Autors, die überwiegend in
Norddeutschland gewonnen wurden und nicht unbedingt auf andere Gebiete,
insbesonders solche weiter im Süden, übertragbar sein dürften. Die Suche nach
datierbarem Material aus archäologischen Quellen setzt im allgemeinen voraus,
dass es bereits eine Stallhaltung des Viehs gab und die Parzellen zumindest
gelegentlich mit dem dort anfallenden Mist gedüngt wurde, der sich aus
Stallstreu und Dung zusammensetzt und in dem auch Hausabfälle zu finden sind. In
norddeutschen „Celtic Fields“ findet man in der Regel in gut ausgeprägten
Feldrainen erhaltene Überreste des Hausabfalls in Form von Holzkohle und sehr
klein zerscherbter Keramik. Dazu kommt in der Regel auch noch der für das geübte
Auge relativ leicht erkennbare geglühte Flint. Während die Keramikstücke wegen
ihrer Kleinheit meist nur ungefähre Datierungsanhalte bieten, kann die Holzkohle
genauere C14- oder Radiokarbondaten liefern, besonders wenn man kurzlebiges
Material wie verkohlte Saatkörner, Haselnussschalen oder Teile kleiner Zweige
verwendet. Allerdings richtet sich die Güte der Datierung entscheidend nach der
Steilheit der Kalibrierungskurve. Gefürchtet ist in diesem Zusammenhang vor
allem das „Hallstattplateau“, ein längerer Zeitbereich in der Mitte des ersten vorchristlichen
Jahrtausends, in dem verschieden alte Holzkohlen praktisch das gleiche C14-Alter
aufweisen.
Natürlich gibt es auch mal Bereiche weitgehend ohne Hausabfälle, die vielleicht
weit von der zugehörigen Siedlung entfernt waren und deswegen „nichts
abbekommen“ haben. Dort kann man unter Umständen auch Holzkohle finden, die von
einer initialen Brandodung oder vom Verbrennen gerodeter Hölzer, die sich auf
den Rainen ausbreiteten bzw. von dort ggf. angepflanzten Hecken stammen könnte.
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Typische Sondagen in Randwällen/Terrassenstufen von ‚Celtic Fields‘. Links Stubnitz / Rügen, rechts Frankfurt-Sachsenhausen (Foto: B. Simon) |
Meine allerersten drei Sondagen in
Süddeutschland (südlich von Frankfurt/Main) ergaben keinerlei Hausabfälle bis
auf eine winzige Scherbe und nur äußerst wenig Holzkohle. Ob dies als Indiz
dafür zu werten ist, dass dort kein Dünger aus Ställen eingebracht wurde, muss
offen bleiben, soweit noch keine weiteren Anhaltspunkte dafür vorliegen.
Zunächst geht es darum, die günstigsten Orte für Sondagen zu finden. Als
Faustregel hat sich bestätigt, dass dort, wo der Ackerbau am intensivsten
und/oder am längsten war, also wo sich die markantesten Randhöhen gebildet
haben, die Sondagen am ergiebigsten sind. Auf jeden Fall sollte man Bereiche
vermeiden, in denen größere Mengen neuzeitlicher Holzkohle zu erwarten ist,
seien es Reste von verbrannten Holzabfällen nach Rodungen oder Reste der
Holzkohlenherstellung in Meilern. Mit einiger
Erfahrung kann man beides ganz gut erkennen: Kohle moderner verbrannter
Holzabfälle ist leicht und zeigt unter dem Stereomikroskop noch keine
Verschmutzung der außen liegenden Gefäße, und Meilerholzkohle ist (falls nicht
misslungen) eher schwer, da die Köhler immer versuchten, den
Verschwelungsprozess so zu steuern, dass möglichst viele Rauchgasbestandteile in
der Kohle kondensierten und so ihr Gewicht und damit den Brennwert erhöhten.
Dementsprechend sind unter dem Mikroskop die kleineren Holzgefäße oft dicht. Zu
meiden sind übrigens auch die direkten Umgebungsbereiche sichtbarer
Bodendenkmäler wie Grabhügel, nicht nur aus denkmalpflegerischen Gründen,
sondern weil dort u. U. Aktivitäten vorgenommen wurden, die zu einer
Anreicherung von Holzkohle führten, die nichts mit den Spuren des Ackerbaus zu
tun hat.
Die Hauptabsicht bei den Sondagen ist es, (fast) alles zu sieben. Deswegen
brauchen die Sondagen von ihrer Grundfläche her nur klein zu sein, in der Regel
ca. 60 x 85 cm. Nur die obersten 5-10 cm werden ungesiebt abgetragen, bei dicker
Rohhumusauflage z. B. unter Nadelgehölz ggf. noch etwas mehr. Nach Abträgen von
5-10 cm Dicke getrennt, wird alles Übrige durchgesiebt, und zwar möglichst
trocken. Ideal, aber nicht immer durchweg anwendbar sind Siebe von 2 mm
Maschenweite und einer Fläche von mindestens 40 x 60 cm; notfalls wird nur ein
Teil so gesiebt und der Rest mit der doppelten Maschenweite. Ein hohes Dreibein
mit Halteketten für die Siebe ist empfehlenswert. Alle größeren Steine sollten
sofort aus dem Sieb gesammelt werden, da sie die empfindliche Holzkohle ggf.
zermahlen könnten, aber das genaue Durchsehen der Steine auf artifizielle Spuren
sollte nicht unterbleiben.
Ist der Boden zu bindig, ist keine Trockensiebung möglich. Dann muss nass mit
extra konstruierten Eimersieben gearbeitet werden, die in mit Wasser gefüllte
Wannen getaucht werden. Das funktioniert im allgemeinen mit einem Sieb mit 2 mm
Maschenweite. Nach Möglichkeit werden anschließend die Siebrückstände mit einem
akkubetriebenen Sprühgerät vorgereinigt und im Sieb grob durchgesehen. Es
empfiehlt sich, den Siebrückständen noch im Sieb so viel Wasser wie möglich zu
entziehen, dafür hat sich ein Abtupfen mit saugfähigen alten Lappen von unten
bewährt. Verpackt werden die Siebrückstände am besten in dicke Lagen saugfähigen
Papiers, um die spätere Trocknung zu beschleunigen. Das Hauptproblem dabei ist
oft das Heranschaffen des vielen Wassers, das dazu notwendig ist.
Das stark vereinfachte Schema soll verdeutlichen, weswegen
eine Suche in ganz schwach aufgehöhten Rainen kaum lohnt. Natürlich wirken sich
auch noch andere Faktoren auf die Erhaltung von Holzkohle und Keramik aus, vor
allem die Bioturbation und die damit verbundenen Lageveränderungen.
Die notwendige Tiefe der Sondage ist oft schwer abzuschätzen. Beträgt die
mittlere Höhe des Randwalles über der in etwa ebenen Umgebung ca. 20 cm (was
schon viel ist), dürften archäologische Funde kaum tiefer als 40 cm reichen, es
sei denn, man ist zufällig auf einen eingetieften Befund gestoßen. In
Terrassenstufen können diese Werte viel höher liegen, dort sollten die
Sondagetiefen 60 cm gerne überschreiten.
Auf jeden Fall sollte nach der Erdentnahme mindestens eine der Seitenwände der
Sondage dokumentiert werden. Übrigens: die ehemalige Oberfläche in Form eines
begrabenen Humusbandes zu erkennen, ist eher unwahrscheinlich. Im allgemeinen
hat die tiefreichende Verbraunung unserer Waldböden diese Spuren verwischt,
falls die alte Oberfläche je erhalten war. Größere Chancen dafür hat man bei
sandigen, stark versauerten Podsolböden. Deswegen ist es oft schwierig, die
Grenze zwischen durchgepflügtem Boden und dem anstehenden „gewachsenen Boden“
darunter festzulegen. Nach einer guten fotografischen und/oder zeichnerischen
Dokumentation ist dann Gelegenheit für weitere Probennahmen im Profil, z. B. für
diverse bodenkundliche Untersuchungen, Archäobotanik, Phytolitenbestimmung und
in tieferen Akkumulationslagen auch für optisch stimulierte Luminiszenz (OSL)
als alternative Altersbestimmung. Gut, aber eher selten machbar ist es, wenn
erfahrene Bodenkundler(innen) das Profil vor Ort untersuchen.
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Cenococcum geophilum-Sklerotien |
Typische Funde in norddeutschen ‚Celtic Fields‘. Immenstedter Gehölz, Nordfriesland. |
Die Erfahrung zeigt, dass man vor Ort die Siebrückstände
nur sehr oberflächlich durchsehen kann, was allerdings durchaus nützlich z. B.
für die Festlegung der maximalen Sondgagetiefe ist. Gerade im Wald ist die
Durchwurzelung derart intensiv und tiefgründig, dass Tausende von Wurzeln in den
Siebrückständen den Blick erschweren, dementsprechend hilft es schon etwas, die
gröbsten schon während des Siebens auszusortieren. Normalerweise ist es auch bei
Trockensiebung notwendig, die Rückstände noch einmal zu waschen, wozu sich ein
akkubetriebenes Sprühgerät gut eignet. Das spätere Waschen, Trocknen auf großen
Tabletts und das intensive Durchsehen der Siebrückstände sollte in einem
Innenraum, teils alternativ in einem windgeschützten (Holzkohle und Fundzettel
wehen leicht weg!) Unterstand geschehen. Das Siebgut sollte zum Trocknen auf
saugfähigem Papier ausgebreitet werden. Am günstigsten zum Auffinden der
Holzkohle ist ein Stadium kurz vor der völligen Trocknung, wenn die Kohle, die
das Wasser besonders gut hält, sich durch ihre noch tiefschwarze Farbe von den
übrigen Partikeln abhebt. Das gründliche Durchsehen der Rückstände erfordert im
allgemeinen mehr Zeit als die Anlage der Sondage, da mit Lupenbrille zu arbeiten
ist, um auch verkohlte Samenkörner oder Reste verkohlter Nussschalen zu finden,
die ja für eine Altersbestimmung besonders geeignet sind. Kenntnisse des lokalen
Spektrums urgeschichtlicher Keramik sind natürlich von Nutzen, und es erfordert
einige Übung, auch sehr kleine Bruchstücke dieser Keramik zu erkennen.
Als Alternative zu den Sondagen kann man durchaus auch die Wurzelteller jüngst
umgefallener Bäume durchsuchen, wenn sie genau auf den Ackerändern standen und
der Boden bindig genug ist, dass die Wurzeln ihn halten. Man kann die Tiefenlage
des zu entnehmenden und zu siebenden Sediments meistens einigermaßen abschätzen.
Der Nachteil dieser Methode ist neben einer zu erwartenden größeren
Ungenauigkeit bei der Bestimmung der Abtragstiefe vor allem, dass noch sehr viel
mehr Wurzeln und verrottetes Holz in den Siebrückständen liegen, dazu kommt dann
noch eine ungeahnte Lebenswelt von vielen Insekten aller Stadien vor allem in
der Zeit der Winterruhe. Dies ist eher für erste, vorläufige Datierungen zu
empfehlen.
Bei größeren Sondagetiefen z. B. in sehr stark ausgeprägten Parzellenrändern
oder überdeutlichen Terrassen muss man mit einer mehrhundertjährigen
Entstehungszeit dieser Ränder rechnen, was sich auch in den Datierungen der
obersten und untersten Holzkohleproben manifestieren könnte. So ist im
Riesewohld in Dithmarschen eine ca. 600jährige Nutzungszeit anzunehmen auf Grund
zweier datierter verkohlter Haselnussschalen ganz unten und ganz oben im Profil.
Im übrigen gibt es grundsätzlich viele Möglichkeiten für Fehldatierungen. Ältere
Holzkohle, z. B. aus früheren Epochen wie der ausgehenden Eiszeit oder der
frühen Nacheiszeit, kann in die Pflugerde gelangt sein, aber ebenso kann durch
Bioturbation jüngere Holzkohle in ältere Schichten gelangt sein. Deswegen
sollten immer so viele Daten wie möglich erhoben werden, was natürlich oft an
den finanziellen Möglichkeiten scheitert.
Häufige Funde sind kleine, runde und hohle scheinbar verkohlte Kügelchen von 1 -
3 mm Durchmesser: Sklerotien des Ektomykorrhizapilzes Cenococcum geophilum,
der vor allem in Altwäldern Lebensgemeinschaften mit Bäumen eingeht. Diese
Sklerotien können, aber müssen nicht besonders alt sein, teils sind sie noch
keimungsfähig und kommen somit für Datierungen nicht in Frage.
Natürlich bedürfen Sondagen einer Genehmigung, nicht nur des Waldbesitzers. Hier
könnte ich ein Hohelied auf die deutsche Bürokratie singen. Während in manchen
Fälle verblüffend unbürokratisch und ohne viele Auflagen genehmigt wurde, sandte
mir die untere Denkmalpflegebehörde im sachsen-anhaltinischen Burgenland nach
einem halben Jahr Wartezeit ein 14seitiges Formular, das in dreifacher
Ausfertigung mit mehreren Anlagen einzureichen sei. Auf diesen 50seitigen
Papierstapel habe ich bisher dankend verzichtet. Ähnlich erging es mir in
Dreieich bei Frankfurt, wo die archäologische Bodendenkmalpflege problemfrei
zustimmte, HessenForst aber auf Einholung von Genehmigungen der Unteren
Naturschutzbehörde und vor allem des Kampfmittelräumdienstes bestand, der
(teure) externe Untersuchungen zur Bedingung machte. Auch da mussten Sondagen
schon aus Kostengründen unterbleiben, allerdings hat die Frankurter städtische
Forstverwaltung ohne solche Auflagen Genehmigungen für ihr benachbartes Gebiet erstellt, so
dass einige Sondagen doch laufen konnten. – Zurück zu 'Celtic
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